“Für mich stimmt hier sehr viel”
Fünf Tore schoss Nils Pichinot in der ersten Halbserie für den Fußball-Regionalligisten FSV Wacker 90 Nordhausen. Damit führt er die interne Trefferliste der Nordhäuser an. Dicht gefolgt von Joy-Lance Mickels (4). Im Interview mit Sandra Arm sprach der 28-jährige Angreifer über seinen französisch klingenden Nachnamen, seine bisherige Torausbeute, Familienzuwachs und seine beruflichen Pläne für die Zeit nach seiner Fußball-Laufbahn.
Nils Pichinot, wie häufig werden Sie als gebürtiger Hamburger auf ihren Nachnamen angesprochen?
Nils Pichinot: Mittlerweile geht es. Meine Eltern und Großeltern sagen, dass es bei ihnen häufiger vorkommt. Meine Mutter arbeitet in einer Firma, in der sie viel mit Lieferanten zu tun hat, da kommt es häufiger vor, dass gefragt wird: Sind Sie nicht die oder kennen Sie nicht den? Durch meine Pauli-Vergangenheit (Anmerk. Nils Pichinot war vom 1. Juli 2009 bis 31. Dezember 2010 bei St. Pauli aktiv) ist man bei vielen noch im Gedächtnis.
Ihr Nachname klingt französisch. Haben Sie Verwandtschaft in Frankreich?
Nils Pichinot: Nein. Ich weiß, dass der Opa oder Uropa von meinem Opa aus Frankreich nach Deutschland kam. Alles was Pichinot heißt, lebt in Hamburg. Bis auf mich, ich lebe mit meiner Frau und meiner Tochter in Mühlhausen.
Ausgesprochen wird Ihr Nachname Pichinoh, gelegentlich ist auch Pichinot (ausgesprochen mit dem t am Ende) zu hören. Wie gehen Sie damit um, wenn Ihr Nachname mal nicht korrekt ausgesprochen wird?
Nils Pichinot: Ich nehme es mit Humor. (lacht) Pichinot (Anmerk. ausgesprochen mit dem t am Ende) ist da noch relativ human. Gerade als ich den A-Jugendbereich aufgerückt bin, in der Jugend-Bundesliga gespielt habe und die ersten Stadionansagen kamen, gab es die die wildesten Geschichten. Kurios war zum Beispiel Pinochet.
In der ersten Halbserie tönte ihr Name gleich fünf Mal als Torschütze durch die Lautsprecheranlage. Und immer vor heimischer Kulisse. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Nils Pichinot: Nicht wirklich. In allen fünf Heimspielen (Anmerk. Berliner AK, Lok Leipzig, Fürstenwalde, Viktoria Berlin und Cottbus) stand ich in der Startelf – und ich habe getroffen. Zum Saisonstart gegen Halberstadt und später gegen Neugersdorf kam ich von der Bank und es hat nicht mit einem Tor geklappt. Ich kann nicht sagen, dass ich besonders heim- oder auswärtsstark bin.
Vielleicht liegt es ja an der Familie, die öfters im Stadion zu Gast ist und Sie unterstützt?
Nils Pichinot: Ja, teilweise sind sogar die Eltern meiner Frau oder ihre Schwester mit ihrem Freund im Stadion. Und ihnen sage ich dann, sie sollen zum nächsten Heimspiel wiederkommen.
Die Heimbilanz liest sich erfreulicher wie die Auswärtsbilanz. Haben Sie dafür eine Erklärung, dass die Mannschaft vor heimischer Kulisse mehr Treffer erzielt als auswärts?
Nils Pichinot: Gute Frage. Meistens ist es wirklich so, dass man heimstärker ist. Das liegt einfach daran, dass man in seinem gewohnten Umfeld spielt, sich normal vorbereitet – und daraus ergibt sich ein bestimmter Wohlfühlfaktor. Man ist Zuhause, spielt im eigenen Stadion, dann läuft es meist besser.
Was muss bei Ihnen zusammenkommen, damit es mit dem Toreschießen klappt?
Nils Pichinot: Es kommt darauf an, wie man in ein Spiel reinkommt. Entweder hat man in den ersten zehn Minuten keinen Ball oder man hat gleiche eine positive Aktion. Ich hole mir das Selbstbewusstsein über Zweikämpfe und Kopfballduelle. Wenn sich solche Aktionen im Spiel aufsummieren, dann kann ich eine Torchance anders verwandeln.
In der ersten Halbserie haben Sie gut ein Viertel der 21 Treffer markiert. Für Sie ein guter Schnitt oder wäre sogar noch mehr möglich gewesen?
Nils Pichinot: Im Endeffekt war mehr möglich. Bis zum Spiel gegen Cottbus war die Torausbeute in Ordnung. Danach habe ich gar nicht mehr getroffen. Klar möchte man mal wieder treffen. Aber ich habe aus der Vergangenheit gelernt. Das Schlimmste ist, wenn man sich sagt, ich muss jetzt wieder treffen und sich zu viel Druck auferlegt.
Wie meinen Sie das?
Nils Pichinot: Ich bin ein Kopfmensch in dem Sinne, dass ich mehr darüber nachdenke. Sobald man immer wieder darüber nachdenkt, dass man nicht trifft, hat man nicht mehr die Selbstverständlichkeit ein Tor zu machen.
SC Freiburg-Stürmer Nils Petersen hat in einem Interview gesagt, Tore schießen ist wie eine Sucht. Wie verhält es sich bei Ihnen?
Nils Pichinot: Für die Tage danach gibt es einem ein super Gefühl. Persönlich, wenn man gewinnt und ein Tor schießt, ist man in einem positiven Flow. Vielleicht schwirrte das im Hinterkopf herum, als ich in den Heimspielen getroffen habe, in denen ich von Anfang an gesetzt war. Und schon hat man ein ganz anderes Selbstbewusstsein. Auch im Kopf – und es fällt alles etwas leichter.
Ihr Vertrag läuft zum Saisonende aus. Könnten Sie sich vorstellen, bei Wacker zu bleiben? Und wovon machen Sie das abhängig?
Nils Pichinot: Wir haben im nächsten Jahr das Ziel, den festen Aufstiegsplatz zu nutzen und ich weiter Teil des Teams sein will. Ich habe jetzt eine Familie, das zweite Kind ist unterwegs. Die Schwiegereltern, die ganze Familie sind in der Nähe von Mühlhausen, wo wir wohnen. Daher ist das eine ziemlich runde Geschichte für mich. Ich fühle mich super wohl – auch im Verein.
Zumal ich ein Typ bin, der seine Anläufe im Verein braucht. In den zurückliegenden Jahren hatte ich oft ein gutes Debüt. Auf der andere Seite merke ich, dass ich mein gewohntes Umfeld brauche, wo ich die Leute einschätzen kann und das gibt mir eine gewisse Sicherheit. In Nordhausen bin ich fast vier Jahre, ich fühle mich wohl und demzufolge kann ich meine beste Leistung abrufen. Für mich stimmt hier einfach sehr viel, so dass ich mir ein Verbleib bei Wacker vorstellen kann.
Schaut man in Ihre Fußballervita, dann gehört Wacker Nordhausen mit zu Ihren längsten Spielerstationen.
Nils Pichinot: Ja, leider. Ich bin nicht der Typ, der in kurzer Zeit von einem Verein zum nächsten wechselt und was Neues will. Die Gründe für die Wechsel lagen bei mir oder beim Verein. In Goslar hatten sie ähnliche Ziele (Aufstieg) wie jetzt in Nordhausen. Doch irgendwann hieß es, wir wollen nicht mehr, haben nicht mehr die finanziellen Mittel. In Halle haben mich die sportliche Erfolge von mir selbst und Verletzungen nicht weitergebracht. In Jena sind wir sportlich abgestiegen.
Lange habe ich traurig auf diese Bilanz geschaut. Mir ist es schon lieber, dass ich mit einem Verein mehr erreichen will und da bleiben möchte. Mit Wacker habe ich gehofft, schon früher oben anzugreifen, aber bisher hat es nicht ganz gereicht.
In den vergangenen drei Jahren hießen die Aufsteiger Magdeburg, Zwickau und Jena. In dieser Saison schickt sich Cottbus an.
Nils Pichinot: Man merkt, dass Cottbus sein Team in der Vorsaison schon größtenteils zusammen hatte. Sie waren von Anfang an da, was uns ein bisschen gefehlt hat. Das wollen wir nächste Saison versuchen, in dem wir mit der Mannschaft zusammenbleiben und dann den Angriff starten.
Zuletzt agierten Sie nicht mehr als Mittelstürmer, sondern waren auf Rechtsaußen gesetzt. Wie kommt Ihnen diese Position entgegen?
Nils Pichinot: Gerade auch mit Schulle (Anmerk. Kevin Schulze) hinter mir, habe ich für mich eine neue, alternative Position gefunden, wo ich mich in einigen Spielen jetzt wohler fühle als vorne drin. Die Abläufe stimmen immer mehr. Schulle weiß ganz genau, wie er mit mir spielen muss. Dass er mir nicht jeden Ball in den Fuß spielt und ich drei Leute ausspiele, sondern wir viel mit unseren Räumen arbeiten.
Sie beide kamen fast zeitgleich in der Saison 2014/2015 nach Nordhausen. Kann man in dem Fall schon von einem blinden Verständnis sprechen?
Nils Pichinot: Irgendwo schon. Das sind einfach die blinden Abläufe, die dann stimmen. Und jedesmal, wenn ich mit einem anderen Rechtsverteidiger gespielt habe, habe ich gemerkt, dass es was anderes ist. Ich habe andere Abläufe, wodurch man sich neu reinfinden muss und sich nur schwer auf andere Sachen konzentrieren kann. Es ist wirklich einfacher, wenn diese Abläufe stimmen.
Fußball ist das eine, sie bereiten sich schon auf die Laufbahn danach vor.
Nils Pichinot: Ich sehe meine Chance in Richtung Architektur, Bauzeichner. Mein Schwager ist Bauzeichner. Durch ihn bin ich so ein bisschen auf die Schiene gekommen. Obwohl es zu Schulzeiten mein Traumberuf war. Ich war damals nicht mutig genug, habe es mir nicht zugetraut. Ich habe mir eingeredet, dass ich nicht kreativ genug bin. Jetzt weiß ich, dass es nicht so ist und es mein Weg damals hätte sein können.
Hatten Sie die Chance mal reinzuschnuppern?
Nils Pichinot: Ja, nach anfänglichen Hard- und Softwareproblemen befindet ich das Programm auf meinem Laptop, womit in den Büros gearbeitet wird. Ich erarbeite mir viel im Selbststudium. Das ist kein Beruf, denn man nebenher oder im Fernstudium erlernen kann. Ich müsste dafür eine Ausbildung anfangen. Ich habe das große Glück, dass mir mein Schwager einige Tipps gibt, mich anlernt und im Internet gibt es zudem Tutorials.
Ich freue mich richtig darauf. Für mich ist es ein schöner Ausgleich neben dem Fußball. Ich spüre, dass ich dadurch etwas befreiter bin. Noch dazu schreibt meine Frau gerade an ihrer Bachelorarbeit. Wir sitzen dann beide, wenn die Kleine im Bett ist, mit unseren Laptops am Tisch und arbeiten.
Obwohl Sie mit Ihren 28 Jahren eigentlich noch einige Jahre Fußball spielen können?
Nils Pichinot: Solange wie mein Körper mitmacht, spiele ich. Für mich war es extrem wichtig, dass ich nicht mehr diesen Druck spüre. Ich habe viel darüber nachgedacht, gerade weil ich eine Familie habe, wie es danach weitergeht. Was ist, wenn ich mich verletzen sollte und nicht mehr Fußballspielen kann? Man ist gewissermaßen durch die Berufsgenossenschaft abgesichert. Dennoch will ich vorbereitet sein.
Zumal sich die Familie demnächst um einen Mitbewohner vergrößert.
Nils Pichinot: Anfang Juni ist es soweit. Dann bekommt Everly (3) ein Schwesterchen. Meine Frau hat zwei Schwestern. Mein Schwiegervater meinte zu mir, es kann nur ein Mädchen werden. Er sollte Recht behalten. (lacht) Am meisten freut sich unsere Kleine über das Geschwisterchen. Einen Namen haben wir noch nicht. Es gibt schon Favoriten, aber bis zur Geburt haben wir noch einige Monate Zeit, so dass wir uns keinen Stress machen. Obwohl die Namensauswahl schon ein heißes Thema bei uns ist.